литературный журнал

``Sehr oft bekommen wir den Ratschlag, über unsere Erfahrung im Ausland zu schreiben. Es sieht so aus, als sei das alles, was man von uns erwartet.``

Rundgespräch über die ausländische Literatur in Deutschland

Die russischsprachige Version des Gespräches erscheint in der Ausgabe von „Berlin.Berega“ №2/2020


Diejenigen, die sich für die gegenwärtige Literatur interessieren, haben auch im Ausland eine Möglichkeit, am Literaturprozess teilzunehmen. Es kann entweder in der Landessprache (z. B. auf Deutsch in Deutschland) oder in der Muttersprache geschehen. Oft haben wir gar keine Ahnung, was sich bei den „Nachbarn“ tut. „Berlin.Berega“ bat Vertreterinnen verschiedener Kulturen vom Literaturprozess in ihren Sprachen zu erzählen. Alle Teilnehmerinnen des Gespräches leben in Deutschland und sind in den Literaturprozess eingebunden.

1. Erzählen Sie bitte über sich. Wie sind Sie zur Literatur gekommen? Was machen Sie aktuell als Autorin?

Stéphanie Lux

Stéphanie Lux (geb. in Frankreich)
Ich bin seit 2004 als Literaturübersetzerin tätig, was einerseits eine schreibende Tätigkeit ist, andererseits aber auch vielleicht davon abbringen kann, selber zu schreiben. Eigene Texte (Gedichte, Kurzprosa) schreibe ich erst seit ungefähr einem Jahr. Es sind die Schreibworkshops von Julie Tirard, die mich dazu inspiriert haben, zu schreiben, und ich nehme seit letztem Dezember an den Lesebühnen des Réseau des Autrices francophones de Berlin teil. Aktuell schreibe ich aber… eine Dankesrede für den Nerval-Goethe-Übersetzungspreis, den ich demnächst in Paris empfangen werde.

Izaskun Gracia, Foto: idazleak.eus

Izaskun Gracia (geb. in Baskenland, Spanien)
Ich habe immer geschrieben seit ich ein Kind war. Sobald ich zu schreiben gelernt habe, habe ich auch angefangen, meine Gedichte und Geschichten zu schreiben. Trotzdem habe ich bis 2003 nichts veröffentlicht.

In den nächsten Monaten (wenn die Pandemie das erlaubt) werde ich eine Gedichtsammlung und eine Kurzgeschichtesammlung veröffentlichen. Mittlerweile schreibe ich weiter Gedichte.

Kateryna Rietz-Rakul

Kateryna Rietz-Rakul (geb. in der Ukraine)
Ich bin Ukrainerin, lebe und arbeite Berlin.

Meine Doktorarbeit habe ich über zeitgenössische amerikanische Literatur geschrieben.

In 2015 gründete ich mit meinen belgischen, deutschen und ukrainischen Freunden den Verein «kul’tura» in Berlin, mit dem Ziel, zeitgenössische ukrainische Kultur, darunter Literatur, in Deutschland sichtbarer zu machen.

Karolina Golimowska

Karolina Golimowska (aufgewachsen in Polen)
Ich bin in Warschau aufgewachsen und kam 2003 zum Studium nach Berlin. 2005 zog ich nach London, um zwei Jahre später nach Berlin zurückzukehren. Später, während meiner Promotion in US-amerikanischer Literatur, habe ich knapp über ein Jahr in NYC und Richmond, Virginia verbracht. Seit 2014 lebe ich wieder in Berlin, wo ich als freie Übersetzerin und Dolmetscherin arbeite, Lyrikübersetzungsprojekte für das Haus für Poesie leite und an der FU unterrichte.

Ich schreibe Kurzprosa und Feuilletons, sowohl auf Polnisch als auch auf Deutsch – ich mag Erzählungen und experimentelle Formate. Meine Erzählungen wurden in polnischen Literaturzeitschriften veröffentlicht, manche Übersetzungen auch in Deutschland.

Ich bin zum Schreiben durch das Lesen gekommen. Die Momente in meinem Leben, in denen ich wenig Zeit für das Lesen hatte, waren auch Zeiten totaler Schreibflauten.

Érica Zingano, Foto: dichterlesen.net

Érica Zingano (geb. in Brasilien)
Ich kam in die Literatur, weil mein Vater, als ich elf Jahre alt war, Selbstmord begangen hatte. Vor seinem Tod redete ich schon gern laut mit mir selbst, ich redete gern allein mit mir. Bis heute mache ich das weiter. Im Grunde genommen war Literatur für mich etwas sehr Einsames und die Möglichkeit, mit Tod / Trauma und den Stimmphänomenen umzugehen und mit der Stimme laut zu denken.

Jetzt, während der Pandemie, studiere ich wieder, mache eine neue Promotion an der Universität und habe an einigen Projekten geschrieben, um etwas Geld zu haben. Ich habe darüber hinaus noch einige Übersetzungen gemacht und altes literarisches Material organisiert. Das soll in Zeitschriften veröffentlicht werden. Ich habe auch mit einem anderen Schriftsteller ein unabhängiges Medium gegründet, und das hat mit Träumen zu tun … Ich schreibe auch viel. Es ist ein schwieriger Moment, aber auch ein sehr interessanter. Politisch ist es sehr schwer, weil wir als Präsidenten eine verrückte Person haben und uns einem Chaos gegenübersehen, das die Dinge in Bezug auf die soziale Fürsorge noch schwieriger macht.

Irine Beridze, Foto: FU-Berlin

Irine Beridze (geb. in Georgien)
Ich bin Literatur- und Kulturwissenschaftlerin aus Georgien. Nach meinem Germanistikstudium in Tbilissi bin ich für mein Masterstudium in „Neuere Deutsche Literatur“ und „Osteuropäische Kulturstudien“ nach Berlin/Potsdam gekommen. Mein (kulturwissenschaftliches) Interesse zur Literatur – vor allem zu den mittel- und osteuropäischen Literaturen – hat sich während des Studiums in Georgien und später in Deutschland herauskristallisiert.

Aktuell lehre ich am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin und schreibe parallel meine Dissertation zum Thema «Osteuropäische Migrationsliteratur in deutscher Sprache». Außerdem bin ich als Vermittlerin der georgischen Literatur im deutschsprachigen Raum aktiv und beitreibe gemeinsam mit meinen Mitblogger*innen die Plattform «Read Ost – Der Blog für mittel- und osteuropäische Literatur und Kultur».

2. Wie ist die allgemeine Lage der Literatur in ihrer Sprache bzw. in ihren Sprachen?

Stéphanie Lux
Die aktuelle Situation in der Buchbranche ist Besorgnis erregend. Zumindest vielleicht in Frankreich, wo die allermeisten Buchhandlungen während des gesamten Lockdowns geschlossen blieben, was zu viel niedrigeren Verkaufszahlen und der Verschiebung vieler Erscheinungstermine führte. Uns steht wohl eine längere Krise bevor, die – das sehe ich jetzt aus der Perspektive der Übersetzerin, weil ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene – auch etablierte Übersetzer.inn.en betreffen wird. Es wird gerade auf große Namen gesetzt, die die Verkaufszahlen wieder ankurbeln sollen. Schwierig könnte es momentan also für Debüts werden.

Izaskun Gracia
Man kann bestätigen, beide Literaturen erfreuen sich einer guten Gesundheit, obwohl beide sehr unterschiedlich sind. Die Literatur auf Spanisch ist eine der größten der Welt, der literarische Markt auf Spanisch ist sehr groß, und es gibt Millionen Leser auf der ganzen Welt. Der literarische Markt auf Baskisch dagegen ist viel kleiner und hat auch weniger Leser. Weniger Bücher auf Baskisch wurden auch übersetzt, deshalb ist diese Literatur auch nicht so bekannt. Zum Glück gibt es in der letzten Jahren immer mehr (und auch jüngere) Schriftsteller/innen, die auf Baskisch schreiben und ein sehr interessantes Werk entwickeln.

Kateryna Rietz-Rakul
Die Wiederherstellung der Unabhängigkeit in 1991 gab der Ukrainischen Literatur und auch der Forschung einen neuen Schub. Revolution der Würde, das Verlangen nach mehr Kulturprodukt in der Ukrainischen Sprache und die neuen Gesetze zum Schutz des Ukrainischen Buchmarkts haben die Situation qualitativ verändert. Der Markt wird immer größer und vielfältiger, sowohl für Originalwerke als auch für die Übersetzungen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Verlage die neue Regierung und die Covid-Rezession überstehen werden.

Eine Besonderheit der ukrainischen Literatur liegt darin, dass Poesie viel gelesen wird, DichterInnen sind in der Ukraine wie Rockstars, und die Lesungen sind sehr gut besucht. Womöglich hat es etwas damit zu tun, dass sie sozial und politisch aktiv sind, sie sind Influencer.

Meine persönliche Zuneigung gilt den Ukrainischen Kinderbüchern und Illustratoren, sie haben mehrere internationale Preise gewonnen und sich in der Welt der Literatur einen Namen gemacht. Die Bücher finden den richtigen Ton und die richtigen Worte, um solche komplexe und wichtige Themen zu behandeln wie Krieg und Flüchtlinge, moderne Familien in allen Variationen, Gleichberechtigung, Gender und Inklusion, Geschichte und Identität, Kunst und Umwelt. Es gibt viele wunderschöne Bücher, die mit kindgerechter Leichtigkeit tiefe Inhalte vermitteln.

Ergänzung
Kseniya Fuchs, ukrainische Schriftstellerin

Die Lage ist nicht eindeutig. Auf der einen Seite haben wir das erhöhte Interesse für die Bücher in ukrainischer Sprache, und die Revolution der Würde vom Jahr 2014 spielte hier die Kernrolle. Das Ergebnis: verbesserte Druckqualität, Zunahme der herausgebrachten ukrainischen Bücher sowie Übersetzungen, Entstehung neuer Verlage, Literatur-Institutionen (wie z.B. das Ukrainische Buchinstitut) etc. Auch die Kinderbücher und Jugendliteratur darf man nicht vergessen, die noch vor zehn Jahren fehlten. Buchdruck und Buchillustrationen haben sich auch massiv verbessert. Auf der anderen Seite gibt es seit 2019 einen spürbaren Rückgang seitens des Staates bezüglich der Förderung ukrainischer Verlagsindustrie. Viele Verlage kämpfen zurzeit gegen eine mögliche Insolvenz. Parallel agieren russische Propaganda und russische Akteure ganz agressiv. Sie exportieren immer noch ziemlich günstige Bücher in die Ukraine und verursachen dadurch ein Dumping der Preise ukrainischer Bücher.

Karolina Golimowska
Ich finde, dass es der polnischen Literatur insgesamt gerade ganz gut geht, trotz oder vielleicht auch gerade wegen den politisch unruhigen Zeiten und der tiefen gesellschaftlichen Spaltung, die alle Lebensbereiche zu beeinflussen scheint und die es schafft, langjährige Freundschaften und Familienbeziehungen zu zerstören. Es gibt einige starke literarische Stimmen, die auch im Ausland hörbar sind, da ziemlich viel übersetzt wird. Sowohl Prosa als auch Lyrik und das in Polen traditionsreiche Genre der literarischen Reportage sind hier vertreten. Der Literaturnobelpreis für Olga Tokarczuk ist natürlich auch ein wichtiges Zeichen.

Érica Zingano
In Brasilien interessieren sich die Menschen sehr für Literatur, aber es ist ein großes Land mit vielen verschiedenen Stimmen, was sehr schön ist. In Brasilien herrscht derzeit viel innerer Kampf, und es entstehen schöne Diskussionen über Feminismus, Rassismus und indigene Traditionen. Verschiedene Denker aus diesen Bereichen haben endlich mehr Sichtbarkeit in den Massenmedien und sind für die breite Öffentlichkeit zugänglicher! Und all dies zeigte sich natürlich in der literarischen Produktion. Es ist eine alte koloniale Vergangenheit, die endlich von Stimmen angesprochen wird, die noch nie Raum zum Reden hatten.

Irine Beridze
Die georgische Literatur kann zu den sog. «Kleinen Literaturen» gezählt werden, da die Sprache mit dem einzigartigen Alphabet von einer vergleichsweise kleinen Gruppe von Menschen gesprochen wird. Die georgische literarische Tradition ist hingegen sehr alt und sehr reich und kennt solche Werke wie Schota Rustawelis «Der Recke im Tigerfell», das als georgisches Nationalepos gilt.

Die moderne georgische Literatur setzt sich einerseits intensiv mit ihren literarischen Anfängen auseinander, andererseits aber unternimmt sie stets spannende postmoderne Experimente und begreift sich als Teil der Weltliteratur. Der kleine Buchmarkt Georgiens produziert intensiv neue Titel und Autor*innen, die jährlich mit dem wichtigsten Literaturpreis Georgiens, dem «Saba-Preis» ausgezeichnet werden.

3. Wie sieht es mit der Literatur in Ihren Sprachen in Deutschland/Berlin aus? Gibt es Lesungen, Buchvorstellungen, Poetry Slams usw?

Stéphanie Lux

Die Beziehungen zwischen dem deutschsprachigen und dem französischsprachigen Buchmarkt sind ziemlich eng, Lektor.inn.en und Mitarbeiter.innen der Rechte- und Lizenzenabteilungen der Verlage kennen sich, sehen sich auf Buchmessen oder anderen Events, wie zum Beispiel vom Institut Français und vom Bureau du Livre der französischen Botschaft organisiert. Lesungen und Treffen mit französischsprachigen Autor.inn.en organisiert regelmäßig die Buchhandlung Zadig, geführt von Patrick Suel, die vor kurzem in die Gipsstraße in Berlin-Mitte umgezogen ist.

Das Literarische Colloquium ist auch ein wichtiger Ort für französischsprachige Literatur in Berlin, viele renommierte Autor.inn.en konnte und kann man dort erleben (ein Highlight bleibt für mich die Begegnung mit Lydie Salvayre, die 2014 mit «Pas pleurer» den Goncourt-Preis erhalten hat).

Die schweizerische Stiftung Pro Helvetia unterstützt viele Literaturprojekte, auf der Frankfurter Buchmesse 2021 wird Kanada und somit auch die Québec-Literatur Ehrengast sein, was zu vielen Übersetzungen ins Deutsche geführt hat…

Es gibt einen regen Austausch und es ist wohl unmöglich, hier alle Projekte zu nennen, aber ich würde noch gern die zweisprachige Literaturzeitschrift La Mer gelée erwähnen, die im Verlag Le Nouvel Attila erschien und zwischen Berlin und Paris produziert wird; darüber hinaus das Netzwerk französischsprachiger Autor.inn.en in Berlin (Le Réseau des autrices francophones de Berlin), das sich insbesondere zur Aufgabe macht, von Frauen geschriebene Literatur zu fördern; und Afropéennes – Afropäerinnen, ein Projekt, das vier Veranstaltungstage mit öffentlicher Paneldiskussion und szenischen Lesungen in verschiedenen Berliner Spielstätten im Zeitraum März bis November 2020 umfasst.

Und, last but not least, mit der Online-Zeitschrift stadtsprachen haben wir eine sehr schöne Plattform und die Möglichkeit, neue französischsprachige Stimmen – unter all den anderen in Berlin gesprochenen und geschriebenen Sprachen – zu entdecken.

Izaskun Gracias
Auf Baskisch wird es leider sehr wenig organisiert. Ab und zu kann man eine Lesung oder Vorstellung finden, aber es ist nicht sehr häufig denn in Berlin gibt es wenige baskische Leser.

Dies trifft nicht für Spanisch zu. Die spanische Gemeinschaft in Berlin ist sehr groß (und wird nicht nur von Menschen aus Spanien gebildet, sondern auch aus anderen spanisch-sprechenden Ländern) und ist sehr interessiert an Literatur. Deshalb gibt es ständig Lesungen, Büchervorstellungen, Poetry Slams usw. Andererseits sind Performances, Theater und Stand-Up Shows auf Spanisch auch nichts Ungewöhnliches in Berlin, und die spanischen Buchhandlungen bieten alle Arten von Workshops und Bibliotheksdienst an.

Kateryna Rietz-Rakul
In Berlin gibt es regelmäßig Lesungen und Q&A mit ukrainischen Autoren, organisiert von kul’tura e.V. Außerdem laden LCB und DAAD oft ukrainische Autoren und Übersetzer zu Residenzen und Lesungen/Podiumsdiskussionen ein. Auch im Haus der Poesie und im Literaturhaus finden regelmäßig Lesungen und Veranstaltungen statt. Es werden sowohl ukrainische Projekte präsentiert, so wie z.B. das Literaturfestival Meridian Czernowitz, als auch internationale Projekte, wie «Papierbrücke». Die Universität Viadrina ist eine weitere gute Adresse für ukrainebezogene Veranstaltungen in Berlin und Umgebung.

Es erscheinen auch immer wieder Übersetzungen aus dem Ukrainischen, mein persönlicher Favorit aus der jüngeren Generation ist der Roman «Papierjunge» von Sofia Andrukhovych.

An dieser Stelle würde ich gerne den Translit e.V. erwähnen, der die Übersetzer aus dem Ukrainischen vereint. In diesem Jahr haben sie in Zusammenarbeit mit PEN und MeetUp ein Residenzprogramm für junge ÜbersetzerInnen ins Leben gerufen. Einen weiteren Workshop organisiert Translit e.V. in Zusammenarbeit mit LCB.

Ergänzung
Evhenia Lopata, Kulturträgerin, Übersetzerin
Ich selber veranstalte zweimal im Jahr (Herbst und Frühling) die Lesereisen von ukrainischen Autoren und Autorinnen in Deutschland. Seit 2015 sind das Dutzende Veranstaltungen mit solchen Literaten aus der Ukraine wie Juri Andruchowytsch, Oksana Zabuzhko, Serhij Zhadan, Tanja Maljartschuk, Igor Pomeranzew, Andrij Ljubka, Kateryna Kalytko, Iryna Tsilyk, Kateryna Babkina. Außerdem gibt es eine Reihe von AutorInnen, die alleine eigene Präsentationen planen und durchführen, oder auf die Einladung ihrer deutschen Verlage herkommen. Dazu laden viele deutsche Festivals ukrainische Autoren und Autorinnen zu ihren Veranstaltungen, wie z.B. im Haus für Poesie (Berlin), ein.

Karolina Golimowska
Es gibt in Berlin die wunderbare und mit viel Liebe geführte deutsch-polnische Buchhandlung «buchbund» in Neukölln, die literarische Abendveranstaltungen, Lesungen und Podiumsdiskussionen organisiert. Zu diesen werden in Deutschland und in Polen lebende polnische Autor*innen, Journalist*innen und Intellektuelle etc. eingeladen. Viele der Treffen finden zweisprachig Deutsch-Polnisch mit Verdolmetschung, manche nur auf Polnisch oder nur auf Deutsch statt. In jedem Fall wird hier sowohl das polnisch- als auch das deutschsprachige Publikum angesprochen.

Der «Klub der Polnischen Versager» veranstaltet ebenfalls (zurzeit nicht wegen Corona) Lesungen und Diskussionen.

Was gedruckte Medien angeht, so bin ich nur mit dem deutsch-polnischen Magazin «Dialog» vertraut, das allerdings eher aus der Welt der Politik und zu gesellschaftlichen Themen berichtet. Ewa Maria Slaska führt einen Blog, in dem regelmäßig junge und nicht ganz so junge polnische Prosa und Lyrik erscheint.

Polnische Autor*innen werden regelmäßig zu Literaturfestivals nach Deutschland eingeladen – die Literaturtage an der Neiße und die Usedomer Literaturtage, die beide in Grenzregionen stattfinden, konzentrieren sich auf den literarischen Austausch zwischen Polen und Deutschland.

In den Stadtbibliotheken in Berlin gibt es eine ordentliche Auswahl an Belletristik, Lyrik und Kinderbüchern in polnischer Sprache.

Berlin wird zudem immer stärker zu einem Zufluchtsort für diejenigen, die sich im heutigen Polen nicht mehr wohl fühlen. Und so ist die Stadt in den letzten Jahren zum neuen Zuhause des Schriftstellers Jacek Dehnel oder der Journalistin Ewa Wanat geworden.

Von Berlin aus werden auch kulturpolitische Änderungen und Entscheidungen, die in Polen getroffen werden, kommentiert. So entstand hier 2019 z.B. die Veranstaltungsreihe «Lesezyklus LEKTURY», finanziell unterstützt durch die Bundeszentrale für politische Bildung. Das Ziel dieser Reihe war es, polnische Literatur vorzustellen, die aus den polnischen Schulbüchern verschwinden sollte, da sie in die Agenda der konservativen PiS-Regierung nicht hineinpasst.

Explizit in polnischer Sprache veranstaltete Lesebühnen oder Poetry Slams sind mir in Berlin nicht bekannt.

Érica Zingano
Ja, während ich in Berlin lebte, war die lateinamerikanische Community ziemlich beeindruckend. Es gab also sehr engagierte Leute, die daran interessiert waren, Verbindungen und Ereignisse wie das «Latinale» von Timo Berger und Rike Bolte oder die «Lettrétage» zu schaffen, und auch einige Verlage wie «Hochroth»! Ich hatte das Gefühl, Berlin sei ein internationaler Ort, der sich für viele verschiedene Dinge interessiert. Natürlich können wir die Beziehung zwischen Russland und Deutschland oder Brasilien und Deutschland nicht vergleichen, die historischen Beziehungen sind völlig unterschiedlich, aber Berlin ist ein schöner Ort, um meine Literatur in diesem Sinne zu teilen und damit zu experimentieren. Aber nicht nur mit lateinamerikanischen Schriftstellern, sondern auch mit anderen Schriftstellern aus anderen Kulturen.

Irine Beridze
Georgien war 2018 als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse eingeladen und konnte im deutschsprachigen Raum intensiv ihre vielfältige literarische Tradition präsentieren. Im Zuge des sehr erfolgreichen Gastlandauftrittes ist eine große Anzahl von Texten in deutscher Übersetzung erschienen. Sowohl die kanonischen Texte der georgischen Literatur als auch die Werke von Gegenwartsautor*innen konnten die deutschsprachige Leserschaft erreichen. Der Buchmessenauftritt war mit Sicherheit ein großer Schritt für die Sichtbarmachung der reichen georgischen Kultur und Literatur in Deutschland.

Das deutschsprachige Feuilleton entdeckte für sich solche Autor*innen wie die wichtigste feministische Stimme Georgiens Tamta Melaschwili, die zentrale Figur der georgischen Gegenwartsliteratur Aka Morchiladze oder die Texte von Archil Kikodze.

4. Es gibt ganz viele Autoren/Autorinnen, deren Muttersprache Russisch ist, die aber nur auf Deutsch schreiben. Dagegen treten zweisprachige Autoren nur selten auf. Wie ist es bei ihrer Sprache? Gibt es ein/e Spitzenreiter/in Ihrer Literatur in Deutschland bzw. generell im Ausland?

Stéphanie Lux

Da ich seit 2013 gelegentlich in einer Buchhandlung arbeite («Anakoluth» in der Berliner Schönhauser Allee), sehe ich, dass französischsprachige Literatur sich hier gut verkauft – in den letzten Jahren etwa Annie Ernaux oder auch Virginie Despentes. Französischsprachige Autor.inn.en, die auf Deutsch schreiben, sind eher die Ausnahme, aber eine großartige Ausnahme gibt es in der Person von Jayrôme C. Robinet, Schriftsteller, Poesieperformer und Übersetzer, der zuletzt «Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund» bei Hanser Berlin veröffentlicht hat.

Izaskun Gracia
Bei den spanisch/baskisch-sprachigen Autoren gibt es ein bisschen von allem. Es gibt Autoren, die nur auf Baskisch oder auf Spanisch schreiben sowie Autoren, die in beiden Sprachen schreiben. Es gibt sicher auch Autoren, die in einer dritten Sprache schreiben, aber das ist sehr selten. Normalerweise schreiben berühmte Autoren, die seit Jahrzehnten im Ausland wohnen (z.B. Irati Elorrieta, Samatha Schweblin), immer noch in ihren Muttersprachen.

Kateryna Rietz-Rakul
Bestimmt gibt es solche. Im Moment kommt mir lediglich Katja Petrowskaja in den Sinn. Jedoch gibt es ukrainische Autoren, die im deutschsprachigen Raum sehr präsent sind und zahlreiche Preise gewonnen haben: Jurij Andruchowytsch, Serhij Zhadan und Oksana Zabuzhko. Zhadans Buch «Depeche Mod» wurde sogar im Wiener Theater Werk-X aufgeführt.

Karolina Golimowska

Es gibt Autor*innen, die in beiden Sprachen schreiben, wie Magdalena Parys. Die meisten entscheiden sich aber für eine, bzw. publizieren hauptsächlich in einer Sprache. Es gibt auch Autor*innen, die immer wieder polnische Begriffe in deutschen Texten verwenden, was besonders stark in Lyrik wirkt, wie es z.B. bei Anna Hetzer der Fall ist, oder die Mehrsprachigkeit in ihren Texten thematisieren, wie bei der ebenfalls in Berlin lebenden Iwona Mickiewicz oder noch viel mehr bei Dagmara Kraus. Brigida Helbig-Mischewski ist eine zweisprachige Autorin, die sowohl in Deutschland als auch in Polen stark rezipiert wird und die für den wohl wichtigsten polnischen Literaturpreis Nike nominiert wurde.

Es gibt auch Autor*innen, die auf Deutsch schreiben, deren literarischer Stoff aber inhaltlich sehr eng mit Polen, der polnischen Geschichte und der Emigrationserfahrung zusammenhängt, wie bei Emilia Smechowski, Matthias Nawrat oder dem Lyriker André Rudolph.

Érica Zingano
Ich glaube nicht, dass man das vergleichen kann, es ist nicht die gleiche Situation … Wenn ich überlege, gibt es niemanden, der mir als Beispiel in Ihrem Sinne einfällt. Ich kannte einige brasilianische Schriftsteller, aber die waren zwei- oder dreisprachig. Es ist nicht dasselbe.

Irine Beridze
Eine sehr spannende Frage! Da die Entstehung der sog. Migrationsliteratur/Transkulturellen Literatur, die einerseits mit dem Sprachwechsel der Autor*innen funktioniert, andererseits aber in einer spannenden Form der Zwei- oder Mehrsprachigkeit angelegt ist, sehr stark mit den globalen Migrationsprozessen verbunden ist, kennt die georgische Literatur diese Form des Schreibens in einigen wenigen Beispielen.

Die wichtigste Vertreterin der ersten Gruppe der georgischen Sprachwechsler*innen in Deutschland ist gegenwärtig mit Sicherheit Nino Haratischwili, die sich mit ihrem dritten Roman «Das achte Leben. Für Brilka» 2014 einen großen Erfolg feierte. Der Roman wurde in mehrere Sprachen übersetzt und parallel für die Bühne dramatisiert.

Neben Nino Haratischwili darf der Name des georgisch-deutschen Autors Giwi Margwelaschwili nicht fehlen (seine Texte erscheinen im Verbrecher Verlag), der mit einer völlig anderen Migrationsgeschichte noch als Kind im Zuge des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland kam und ebenfalls auf Deutsch seine Texte publizierte. Eine weitere wichtige Stimme der georgischen Gegenwartsliteratur gehört dem Autor Zurab Karumidze, der 2006 seinen dritten Roman «Dagny or a Love Feast» auf Englisch verfasste (Deutscher Titel «Dagny oder Ein Fest der Liebe», 2017).

Hier und da kennt die georgische Literatur auch spannende zweisprachige literarische Experimente, vor allem in der Gegenwartslyrik, aber diese transkulturellen literarischen Prozesse gewinnen erst jetzt so richtig an Intensität.

5. Es existiert eine Literatur, die in der landesüblichen Sprache (z.B. Deutsch in Deutschland) verfasst ist. Zusätzlich gibt es aber auch Literatur in dieser Sprache, die in anderen Ländern erscheint (z.B. deutschsprachige Romane in den USA). Unterscheidet man in Ihrem Lande zwischen diesen beiden Phänomenen oder nimmt man sie als ein einheitliches Ganzes wahr?

Stéphanie Lux

Als Französin würde ich behaupten, dass in Frankreich erstmal wahrgenommen wird, was dort und insbesondere in Paris passiert, aber vielleicht ändert sich das, auch weil wir gerade dazu gezwungen sind, neue Arten des literarischen Zusammenkommens zu entwickeln.

Izaskun Gracia
Für mich gibt es keinen Unterschied. Ich schreibe immer, was ich fühle, was ich wirklich aussprechen möchte, egal ob der Text in meiner Heimat oder im Ausland veröffentlicht wird.

Sehr oft bekommen wir (die Autoren/innen im Ausland) den Ratschlag, über unsere Erfahrung im Ausland zu schreiben – wie zum Beispiel, Wladimir Kaminer, der sein Leben als Russe in Deutschland erzählt –. Eigentlich denkt man, dass unsere Bücher nicht interessant genug sein werden, wenn wir über etwas anders schreiben. Es sieht so aus, als sei das alles, was man von uns erwartet.

Viele Autoren/innen befolgen diesen Rat (und ich habe nichts dagegen, viele dieser Bücher sind sehr gut und wirklich interessant), aber ich schreibe lieber über andere Themen.

Kateryna Rietz-Rakul
Ja, es ist ein Literaturprozess.

Karolina Golimowska
Mein Eindruck ist, dass Literatur, die in polnischer Sprache von in Deutschland lebenden Autor*innen geschrieben wird, in Polen stark rezipiert wird und vor allem dort mediale Aufmerksamkeit bekommt. Die in Berlin lebenden Autorinnen Magdalena Parys, Dorota Danielewicz oder Karolina Kuszyk, deren Bücher von polnischen Verlagen verlegt werden, kriegen mehrseitige Portraits in der polnischen Presse, touren mit Lesungen durch Polen usw. Magdalena Parys war auch mehrmals auf den Covers von polnischen Zeitungen und Zeitschriften. Eine heimliche Literatur, die nur im Ausland rezipierbar wäre, gibt es, denke ich, nicht.

Érica Zingano
Ich weiß nicht, wie die Kritik derzeit in unserer Literatur mit diesem Thema umgeht. Weil sehr wichtige Bücher aus unserer literarischen Tradition zum ersten Mal in Europa veröffentlicht wurden, zum Beispiel aus der Moderne, wegen der Beziehung zur Kolonie und zum Reich…

Irine Beridze
Die georgische Literatur und die georgischen Autor*innen befinden sich noch in den Anfängen im Hinblick auf die globale literarische Vernetzung, da die Dynamik der Migration erst nach dem Zerfall der Sowjetunion eine erlebbare Praxis wurde und die Menschen und die Kulturschaffende die Möglichkeit bekamen, zu reisen und die Welt zu erkunden. Natürlich gab es in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Oktoberrevolution eine große Exilwelle aus den kaukasischen Republiken nach Westen. Paris und Berlin waren da mit Sicherheit die Schlüsselstädte, aber ich denke, dass wir gegenwärtig in Georgien erst die Anfänge von diesen spannenden literarischen Prozessen beobachten können.

6. Gibt es viele anerkannte AutorInnen in Ihrer Sprache, die im Ausland leben?

Stéphanie Lux

Ich habe keine Kartographie erstellt, aber manchmal entdecke ich das auf einem Buchcover… So hat zum Beispiel Marie Ndiaye lange in Berlin gelebt, und Virginie Despentes in Barcelona, zwei Städte, die eine gewisse Anziehungskraft auf Autor.inn.en auszuüben scheinen.

Izaskun Gracia
Auf Spanisch gibt es viele auf der ganzen Welt, aber auf Baskisch nicht so viele.

Kateryna Rietz-Rakul
Auf Anhieb fällt mir Tetiana Maljartschuk, die seit einiger Zeit nicht nur auf Ukrainisch, sondern auch auf Deutsch schreibt. Die deutsche Übersetzung ihres Romans «Blauwal der Erinnerung» ist 2019 erschienen. Irena Karpa lebt in Paris, Vasyl Makhno in New York, Ksenija Fuchs in Stuttgart.

Ergänzung

Evhenia Lopata
Oles Iltschenko (Schweiz), Igor Pomeranzew (Tschechien), Halyna Petrosanjak (Schweiz), Emma Andijewska (Deutschland), Andriy Kurkow (London).

Karolina Golimowska
Es gibt einige, und ich fürchte, dass es mehr sein werden, die nach Exil woanders suchen werden. In Berlin gibt es einige wichtige literarische Stimmen, die vor allem Frauen gehören, was ich ganz toll finde und was auch vielleicht symptomatisch ist für die allgemeine eher maue Präsenz von Frauen in der polnischen Literaturgeschichte.

Érica Zingano
Vielleicht gibt es jetzt mehr, weil einige Leute das Land aus politischen Gründen verlassen … Wir stehen vor einer sehr, sehr komplizierten Zeit in unserer Geschichte. Aber noch einmal, besonders erinnere ich mich nicht an Namen. Ich kenne einige meiner Kollegen, Dichter, die schon vorher im Ausland gelebt haben …

Irine Beridze
Die Autor*innen, die im Ausland leben und weiterhin auf Georgisch ihre Texte schreiben, sind sicherlich in der Mehrheit. Berlin kennt einige spannende Beispiele dafür. Der Autor Zaza Burchuladze (seine Romane erscheinen im Aufbau Verlag) lebt schon seit mehreren Jahren in Berlin und publiziert weiterhin auf Georgisch. Die deutschen Übersetzungen seiner auf Georgisch verfassten Romane erscheinen in der Regel zeitgleich mit seinen Originaltexten in Georgien, dadurch verschmelzen die beiden kulturellen Räume miteinander, und die deutschen und die georgischen Leser*innen dürfen praktisch parallel seine Texte rezipieren.

Der wichtigste Vertreter der georgischen Literatur Aka Morchiladze lebt seit mehreren Jahren in London, bleibt aber in seinem Schreiben der georgischen Sprache stets treu. Der größte Kern der georgischen Gegenwartsliteratur entsteht aktuell aber weiterhin vor Ort im originalen Kontext.

7. Wie fühlen Sie sich als Autorin im Ausland?

Stéphanie Lux

Heutzutage ist es sicherlich einfacher, ich vermisse zwar die breite Auswahl an französischsprachigen Buchhandlungen und erlebe hier als Übersetzerin auch nur einen Teil der Szene, aber digital ist vieles möglich, wie es zum Beispiel das Projekt Hôtel des Autrices vom Réseau des Autrices zeigt, das bald ins Leben gerufen wird und schon internationale Kooperationspartner gefunden hat (Kulturinstitutionen in Frankreich, der Schweiz und Québec).

Izaskun Gracia
Es ist oft problematisch, einen Verlag zu finden und den ganzen Prozess (veröffentlichen, vorstellen, lesen, das Buch bekannt machen…) zu bewältigen. Die Verleger möchten normalerweise, dass ihre Autor/innen nicht im Ausland leben, weil Lesungen, Büchervorstellungen, Interviews usw. zu organisieren dann viel schwieriger ist. Es gibt immer noch viele Vorurteile – manche Medien sind nicht interessiert an Autor/innen, die weit weg wohnen oder keine Telefon- oder Onlineinterviews geben…

Andererseits, weil ich im Ausland bin, kann ich alles (den literarischen Markt, die Autor/innen, mein Land, meine kulturelle Erfahrung und Tradition…) aus anderer Perspektive analysieren, und das beeinflusst und inspiriert mein Schreiben. Ich bekomme auch einen größeren Einfluss von Autoren/innen, die aus allen möglichen Länder kommen… und ich muss jeden Tag andere Sprachen sprechen, was auch meinen Stil verändert, weil ich mich viel freier fühle, mit meiner Muttersprache und kulturellen Referenzen zu spielen.

Kateryna Rietz-Rakul
Ich bin Publizistin, habe zwei Non-Fiction-Bücher als Koautorin veröffentlicht und arbeite hauptsächlich als (Konferenz)dolmetscherin und Übersetzerin. Ich fühle mich nicht wirklich als Autorin, deshalb kann ich diese Frage gar nicht beantworten.

Karolina Golimowska
Ich finde es schwer, meine Prosatexte auf Deutsch zu veröffentlichen. Auch an die polnischen Verlage aus dem Ausland heranzukommen ist nicht einfach. Oft fühle ich mich also irgendwo dazwischen und lege unveröffentlichte Texte in der virtuellen Schublade in meinem Rechner ab in der Hoffnung, dass sie irgendwann das Licht der Öffentlichkeit sehen werden und mir dann immer noch gefallen.

Die Perspektive eines Fremden in einer neuen Umgebung habe ich leider längst verloren, ich fand diese aber lange Zeit sehr inspirierend, im Sinne Richard Sennetts, der dem Fremden die Möglichkeit der Infragestellung der gesellschaftlichen Regeln und Normen zuschreibt: „Through their ability to question that society’s rules, the foreigner may also gain another knowledge through his or her own exile, denied to those who remain rooted at home“ (The Foreigner). („Durch die Möglichkeit, die Regeln dieser Gesellschaft in Frage zu stellen, kann der Ausländer/die Ausländerin auch eine andere Sichtweise durch sein/ihr eigenes Exil gewinnen, das denjenigen verwehrt ist, die in ihrem Heimaland vewurzelt bleiben“)

Julia Kristeva schrieb von der Fremdsprache als von einer zweiten Haut, einer neuen Identität, die das Verhältnis zu der Muttersprache verändern kann – so fühle auch ich mich oft, irgendwo zwischen den Sprachen, Kontexten und Redewendungen.

Ich mag z.B. die Prosa von Wladimir Nabokov sehr, ich mag, wie er seine Figuren konstruiert. Ich denke oft an die neue Art zu schreiben, die er in der Verfremdung durch die Sprache gefunden hat und daran, dass er irgendwann die Sprache wechselte und nicht mehr auf Russisch, sondern nur auf Englisch schrieb und erst dann richtig erfolgreich wurde.

Érica Zingano
Oh, diese Frage ist sehr schwierig! Ich hatte viele verschiedene Gefühle, als ich im Ausland lebte. Es war ein sehr wichtiger Moment in meinem Leben, verschiedene Beziehungen zu verstehen, vertraute, aber auch historische Beziehungen meines Landes zu Europa. Ich entschied mich zurückzukommen, weil ich es sehr satt hatte, mich permanent mit einer anderen kulturellen Realität, Sprache, Menschen, Gewohnheiten und allem auseinanderzusetzen! Und ich muss wieder lernen. Ich bin sehr froh, dass ich hier bin, obwohl es politisch sehr kompliziert, aber auch wirtschaftlich ist. Ich konnte mir nicht vorstellen, in dieser Pandemiezeit dort zu leben. Ich habe mein Land vermisst. Während ich im Ausland lebte, sah sich Brasilien mehreren politischen Ereignissen gegenüber, die für seine jüngste Geschichte sehr wichtig waren, deshalb fühle ich mich alldem hier näher.

Irine Beridze
Ich als Literatur- und Kulturwissenschaftlerin aus Georgien habe ein klares Ziel, nämlich die georgische Literatur dem breiten Publikum im deutschsprachigen Raum näher zu bringen. In Deutschland fehlt meines Erachtens immer noch ein konzentrierter und interessierter Blick auf die mittel- und osteuropäischen Literaturen. Unser Blog „Read Ost“ ist ebenfalls aus der Überzeugung heraus entstanden, dass die postsowjetischen kleinen Republiken mit ihrer einzigartigen Kultur- und Literaturtradition hierzulande eine entsprechende Aufmerksamkeit und Anerkennung verdienen. Ich denke, dass mit dem Auftritt Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse dafür ein Grundstein gelegt worden ist, aber die größte Herausforderung ist es, dieses Interesse zukünftig weiterhin aufrechtzuerhalten.

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